Noch vor einem halben Jahrhundert hat man den Frauen eingebläut, sie hätten vorsichtig zu sein und sich auf nichts einzulassen und zudem, dass sie auf einen Versorger, eine gute Partie auszusein hätten. Dass sich dieses Erbe bis heute im sexuellen Verhalten vieler Frauen niederschlägt, ist daher nur konsequent. Ich bin erst Ende Dreißig und habe dennoch von meiner Mutter vermittelt bekommen, dass ich “aufpassen” soll. Das “wovor” blieb immer vage, aber es war natürlich klar: davor, bloß nicht schwanger zu werden, aber auch davor, auf keinen Fall an ein Arschloch zu geraten, der mich nur ausnutzte. Solcherlei Warnungen implizieren natürlich, dass es auf keinen Fall die Frauen sein können, die Männer sexuell ausnutzen, sondern immer nur umgekehrt, und dass lediglich die Frauen so etwas wie einen Ruf oder ihre Ehre oder Unschuld oder Seelenheil zu verlieren hätten. Mit dieser Einstellung hat mir meine Mutter (und ich mag nicht raten, wie viele Generationen lang vor uns das so ging) gründlich die Unbefangenheit und Freude am Sex vermiest. Zu konstatieren, das daraus resultierende Verhalten sei natürlich oder zwangsläufig, ist hanebüchen.
Meine Mutter war denn aber auch eine von denen, die den Geschlechtsverkehr in der Tat nur duldete und im Gegenzug von meinem Vater versorgt wurde. Ein Problem liegt schon in dem Begriff der “ehelichen Pflichten”, der für sie Alltag war und vermutlich ist. Dadurch, dass sie ihn nie hinterfragte, lebte sie mir und meiner Schwester natürlich auch vor, dass Sex ein Tauschgut ist und es vor lauter Anforderungen so etwas wie eine eigene weibliche Lust gar nicht geben kann. Ich weiß, dass dies nur meine persönlichen Erlebnisse sind, aber ich kann mir vorstellen, dass es vielen Frauen meiner Elterngeneration und auch meiner eigenen bis heute so geht. Ich finde, Frauen schnitzen an diesem Trugbild, sie seien per se nicht lustvoll, dafür aber auf Sicherheit aus, auch selbst nach wie vor mit. Daran etwas zu ändern ist aber wiederum schwierig, weil es dazu ein Bewusstsein der Betreffenden bräuchte und man sich außerdem über einen (vermeintlich!) leichten Weg hinwegsetzen müsste, materielle Güter zu erhalten.